Bayern und Region – Münchner Merkur – Nachgefragt…4.2.2022
…bei Ilse Sixt, Kämpferin gegen den Zölibat.
„Unmenschliche Lebensform“ – Seit über 50 Jahren kämpft Ilse Sixt aus Oberpframmern (Kreis Ebersberg) gegen den Zölibat, der in ihren Augen großes Leid verursacht: Einsamkeit, Verzweiflung, Angst, Lügen, uneheliche Kinder, Abtreibungen, Alkoholismus.
Die 85-jährige Hausfrau hat hunderte Leserbriefe zu dem Thema verfasst. Jetzt – nach den jüngsten Äußerungen von Kardinal Marx, wähnt sie sich ihrem Ziel nahe, dem Ende der priesterlichen Ehelosigkeit, Enthaltsamkeit und Keuschheit.
„Was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie gehört haben, dass Kardinal Reinhard Marx fordert, den Pflichtzölibat katholischer Priester abzuschaffen?“ Ich habe mir gedacht: Endlich! So lange habe ich ihn gepiesackt. Sie müssen wissen, dass er alle meine Leserbriefe der vergangenen Jahre in CC bekommen hat. Bis mich mal jemand aus seinem Umfeld angerufen hat und meinte, ich solle das unterlassen. Da habe ich geantwortet: Das könnt Ihr jedem verbieten, aber nicht mir (lacht).
„Sie sind nun 85 Jahre alt. Wir wünschen Ihnen natürlich noch viele, viele Jahre. Aber: Wie optimistisch sind Sie, dass Sie das Ende des Pflichtzölibats noch erleben?“
Da bin ich sehr optimistisch. Wissen Sie, alles braucht seine Zeit. Die Kirche hatte lange genug Zeit. Jetzt, nach dem Missbrauchsgutachten, wird es richtig eng für sie. Entweder sie ändert sich, oder es laufen alle davon. Das Problem lässt sich nicht mehr aussitzen.
„Was hat Sie motiviert, ihren Kampf gegen den Zölibat so viele Jahre lang zu führen? Waren Sie nie frustriert und wollten aufgeben?" Nein, nie. Ich hatte und habe viel Kontakt zu Priestern.
Viele haben mir ihr Herz geöffnet, sich bei mir ausgeweint. Mir tun diese Menschen leid.
Wenn einem jungen Mann die „Pflicht“ auferlegt wird, zölibatär zu leben, ist er mit Gott allein. Er geht nach der Priesterweihe in ein „leeres“ Zimmer. Trotz seiner Begeisterung stößt er über kurz oder lang an die Grenzen dieser unmenschlichen Lebensform. Was mich aber am meisten frustriert, sind die Bischöfe und Kardinäle, die aus Erfahrung wissen, dass die Pflicht zum Zölibat auf Dauer nicht lebbar ist und die es trotzdem ohne Gewissensbisse wagen, die jungen Männer in die Sackgasse zu führen.
Das Gespräch führte Michael Acker