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Westfalenpost vom 19.12.2019, Leserbriefseite 2, Titel: "Zeit für die Whistleblower"


Im Jahr 1974 führte Papst Paul VI. (1963-78) das sog. "Päpstliche Geheimnis" ein, um schweren Schaden von der katholischen Kirche abzuhalten. Der sexuelle Missbrauch von Kindern und Nonnen durch Priester schützte so die Täter vor weltlicher Strafverfolgung. Der sexuelle Missbrauchsskandal der Kirche kam trotz des "Päpstlichen Geheimnisses" und trotz der kirchlichen Geheimniskrämerei ans Licht. Jetzt hat Papst Franziskus das "Päpstliche Geheimnis" gelüftet und wenigstens teilweise in Bezug auf den sexuellen Missbrauch durch angeblich zölibatär lebende Priester aufgehoben.
Meines Erachtens täte die katholische Kirche im Sinne von mehr Transparenz und Glaubwürdigkeit gut daran, das "Päpstliche Geheimnis" wieder ganz abzuschaffen. Schließlich ist die Kirche auch ohne dieses privilegierte Geheimnis fast 2000 Jahre gut gefahren. Warum? Insiderwissen hat in unserer Zeit oft einen negativen Beigeschmack, weil es unter anderem zur Vertuschung von Korruption und Straftaten, für Spionagezwecke, für illegale Börsengeschäfte und illegale Spenden und für interne Verwerfungen von Personen genutzt wird, was die Öffentlichkeit nicht bekommen soll. Das ist aber nicht "streng vertraulich" und gehört auch nicht unter den Deckmantel des Schweigens. Wer "Päpstliche Geheimnisse" aufdeckt, ist kein Geheimnisverräter, sondern ein Whistleblower.
Das sollte sich Papst Franziskus Kirche ein für allemal hinter die Ohren schreiben. Schließlich geht sie auch positiv mit anderen Geheimnissen der Kirche um: wie z. B. mit dem Mysterium Christi, päpstlichen Wundern, Marienerscheinungen und Heiligengeschichten.



gez. Roland Klose, Bad Fredeburg

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