Der Ex-Ratzinger-Papst, Benedikt XVI., und sein 68er-Trauma (5x gedruckt)
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- von Roland Klose
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Der Ex-Ratzinger-Papst, Benedikt XVI. (2005-13), behauptet ernsthaft, die 68er-Studentenbewegung sei für die Pädophilie, "Homosexuelle Clubs" in Priesterseminaren und den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche mitverantwortlich.
Welch ein Hohn, der Moraltheologe Joseph Ratzinger sucht die Schuldigen für sexuellen Kindesmissbrauch und die Vergewaltigungen von Nonnen durch Priester nicht ausschließlich innerhalb des Klerus, sondern außerhalb bei der 68er-Studentenbewegung. Warum? Ganz einfach, wegen des Traumas, das Ratzinger in den Jahren 1966-69 als Professor für Katholische Dogmatik an der Theologischen Fakultät der Tübinger Universität durchlitten hatte. Im krassen Gegensatz zu seinem damaligen Professionskollegen Hans Küng waren ihm nämlich die rebellischen und diskussionsfreudigen 68er-Studenten höchst zuwider, weshalb er am 26. Oktober 1969 fluchtartig das "Haifischbecken" Uni Tübingen in Richtung Uni Regensburg verließ.
Deshalb gibt Ratzinger der 68er-Studentenbewegung eine Mitschuld für den sexuellen Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche. Doch hier irrt Ratzinger gewaltig. Die Ursachen für sexuellen Missbrauch gehen weit in das Mittelalter zurück. Obwohl sexueller Missbrauch von Kindern im Mittelalter einen starken Normverstoß darstellte und teilweise harte Strafen zur Folge hatte, wurde trotzdem häufig sexuelle Gewalt an Kindern verübt. Zahlreiche Verfahren blieben aber ähnlich wie heute in Beweisschwierigkeiten stecken oder die Angehörigen verzichteten auf eine Anzeige zugunsten ihres guten Rufes (vgl. Bange/Deegener 1996, S. 13).
Außerdem führen verschiedene Autorinnen überzeugende Beweise dafür an, dass die Verfolgung und Vernichtung von Mädchen und Frauen als Hexen (Hexenverfolgung aufgrund des Hexenhammers von Papst Innozenz VIII. aus dem Jahr 1486) manchmal dazu diente, sexuelle Gewalt gegen Mädchen bzw. Frauen ähnlich wie heute zu vertuschen (vgl. Rush 1985, S. 79ff; zit. n. Bange/Deegener 1996, S. 14).
Ende des 13. Jahrhunderts wurden in England die ersten Gesetze zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung erlassen, aber sie wurden kaum angewandt (vgl. Schultz 1982, S. 22; zit. n. Bange/Deegener 1996, S. 15).
Und das II. Laterankonzil aus dem Jahr 1139 legte unter Papst Innozenz II. endültig fest, dass Priester an den Pflichtzölibat gebunden sind und daher keinerlei sexuelle Beziehung und Ehe eingehen dürfen. Bei Zuwiderhandlungen sollten Priester ihr Amt umgehend verlieren. In der Praxis sah dies aber immer ganz anders aus. So werden in der Kirchengeschichte nachweislich sogar sechs Päpste erwähnt, die trotzdem nicht nach dem gesetzlichen Zölibatsgesetz lebten, sich Mätressen hielten und damit auch noch uneheliche Kinder zeugten:
Papst Innozenz VIII. (1484-92), Papst Alexander VI. (1492-1503), Papst Julius II. (1503-13), Papst Paul III. (1534-49), Papst Pius IV. (1559-65) und Papst Gregor XIII. (1572-85).
Die 68er-Bewegung steht dagegen für die sexuelle Freiheit mit Pille und Kondom, für die sexuelle Lust und die Befreiung vom kirchlichen Dogma, dass Geschlechtsverkehr nur zur Zeugung von Nachkommen innerhalb der Ehe zu dienen habe. Doch das macht sie noch lange nicht mitverantwortlich für den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche durch Priester. Hier müssen sich die Päpste und Priester gefälligst an die eigene Nase (oder den eigenen Schwanz) fassen und sich weltlichen Gerichten stellen. Die Vertuschungskurie und das sog. Päpstliche Geheimnis (Secreta continere), das Papst Paul VI. am 4. Februar 1974 bestätigt und erlassen hatte, sind dabei höchst hinderlich.
Roland Klose, Bad Fredeburg