Berliner Kurier vom 30.06.2017, laut Frau Sophia Kräge gedruckt mit Passfoto von mir, Titel noch unbekannt
In früherer Zeit wurden die sog. Personenstandsfälle (Geburten, Eheschließungen und Sterbefälle) nur in den von den Pfarrämtern geführten Kirchenregistern verzeichnet. Diese Kirchenregister wurden im Laufe der Zeit trotz ihres rein kirchlichen Charakters weithin auch allgemein öffentlichen und staatlichen Zwecken dienstbar gemacht. Die Folge war, dass der preußische und später auch der deutsche Staat auf die Führung dieser Register Einfluss nahm und der staatlichen Aufsicht durch die unteren Verwaltungsbehörden unterstellte, weil er die Trennung von Staat und Kirche anstrebte und sich z. B. für die Einführung der Zivilehe einsetzte.
Damit kam es im Deutschen Kaiserreich unter ihrem Reichskanzler Otto von Bismarck (1871-90) zum erfolgreich geführten Kulturkampf mit der katholischen Kirche und dem für unfehlbar erklärten Papst Pius IX. (1846-78). Die Folge war letztendlich unter anderem das Inkrafttreten des Reichsgesetzes über die Beurkundung des Personenstandes und der Eheschließung vom 6. Februar 1875, das zum 1. Januar 1876 einheitlich im damaligen Reichsgebiet Deutschland Standesämter mit der besonderen Aufgabe der Führung von Personenstandsregistern (Geburten-, Heirats-, und Sterberegister) beauftragte. Seit diesem Zeitpunkt kann die Ehe zwischen Mann und Frau bürgerlich-rechtlich auch nur noch vor dem Standesbeamten eingegangen werden.
Bisher war Bundeskanzlerin Angela Merkel (seit 2005) - ganz auf Linie mit Otto von Bismarck - strikt gegen die sog. "Ehe für alle" - insbesondere zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren. Doch was wäre wohl Angela Merkel ohne eine für sie typische "Wendehals-Politik", die sie geschickt wahlstrategisch und pragmatisch einfach den geänderten politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen anpasst? Nichts. Deshalb folgt auf die Merkelsche Energiewende jetzt auch noch zwangsläufig die sog. "Ehe-Wende", weil mittlerweile alle Parteien im Deutschen Bundestag - außer CDU/CSU - die "Ehe für alle" als Bedingung für Koalitionsverhandlungen in ihren Wahlprogrammen stehen haben. Und da Bundeskanzlerin Merkel (CDU) nach der Bundestagswahl am 24. September 2017 höchstwahrscheinlich einen Koalitionspartner braucht, gibt sie die Abstimmung über die "Ehe für alle" im Deutschen Bundestag in Be(ä)rlin am kommenden Freitag einfach frei und macht sie zur Gewissensentscheidung für die Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU. Wird sich die Bundestagsabgeordnete, Frau Dr. Merkel, wohl bei dieser Abstimmung der Stimme enthalten?
Bravo, Angie, somit wird die "Ehe für alle" mit allen rechtlichen Konsequenzen kommen und die anderen etablierten Parteien verlieren wieder einmal ein prägnantes Wahlkampfthema. Damit steht Otto von Bismarck für die Einführung der Zivilehe und Angela Merkel wohl oder übel für die Einführung der "Ehe für alle" in den deutschen Geschichtsbüchern. Der Vatikan wird sich darüber sicher nicht freuen, dafür wird wahrscheinlich Peter Altmaier so oder so im "Muttikan" - dem Bundeskanzlerinamt in Be(ä)rlin - die Champagnerkorken knallen lassen, oder?
Roland Klose, Bad Fredeburg