FOCUS-Magazin vom 22.04.2017, Leserbriefseite 66, ohne Titel
Unglaublich, aber wahr, US-Präsident Donald Trump gratuliert Recep Tayyib Erdogan zum vermeintlichen Sieg beim Referendum, obwohl es dabei nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Das ist ein schwere Niederlage für die Demokratie, zumal viele EU-Staaten von Glückwünschen für Erdogan bisher Abstand genommen haben.
Übrigens, der erste Gratulant Hitlers nach dem Reichstagsbrand und den Reichstagswahlen vom 05.03.1933 war der Duce Italiens, Benito Mussolini. Aber auch Mustafa Kemal Atatürk gehörte zu den Gratulanten, der im Jahr 1923 die Republik Türkei gründete. Warum? Die deutsche Rechte war nach dem Abschluss des Versailler Vertrags, der die deutsche Schuld am Ersten Weltkrieg (1914-18) festgeschrieben hatte, von einem wahren Türkenfieber erfasst. Schienen doch die Türken als einzige der von den Pariser Vorortverträgen betroffenen Nationen willens, eine Revision der ihnen auferlegten Bedingungen mit Gewalt herbeizuführen. Der türkische Befreiungskampf diente den nationalistischen Parteien in Deutschland - und hier insbesondere der noch winzigen Nazipartei in ihrer Gründungsphase - als Leitbild. Voller Sehnsucht blickten sie zum Bosporus, wo einst der kranke Mann der europäischen Politik gelegen hatte und nun mit Mustafa Kemal Atatürk ein starker Mann die Politik bestimmte. Man wünschte sich auch für Berlin "deutsche Mustafas", keine "Erfüllungspolitiker".
So marschierten in den Morgenstunden des 30. Oktober 1933 in der Berliner Tiergartenstraße mehr als einhundert SA-Leute auf und bildeten eine Ehrenformation vor der türkischen Botschaft, wo sie trotz des Regens bis Mitternacht blieben. Im Laufe des Tages gaben sich nationalsozialistische Größen hier die Klinke in die Hand. Die Gattin des Botschafters erhielt ein Blumengebinde mit Hakenkreuz und Halbmond. Später waren einige SA-Leute derart betrunken, dass sie abgezogen werden mussten. Anlass des Spektakels war der zehnte Jahrestag der türkischen Republik. Zwar entspricht es durchaus den Gepflogenheiten, solche Jubiläen diplomatisch abzufeiern. Hier aber gratulierte eine politische Bewegung einer anderen, die nationalsozialistische der kemalistischen. Man durfte bislang gewiss davon ausgehen, dass Italiens "Duce" Benito Mussolini ein Vorbild für Hitler war. Man denke nur an das aussagekräftige Posing des Diktators für seinen Fotografen Heinrich Hoffmann. Dass aber auch der türkische Staatschef ein Rollenmodell darstellte, dürfte selbst vielen Experten unbekannt gewesen sein.
In Deutschland 21 ist das Gott sei Dank anders. Die GroKo reagiert aber meines Erachtens zu verhalten auf die Wahlmanipulationen Erdogans beim Referendum für sein diktatorisches Präsidialsystem. Dafür gratuliert Trump artig und anscheinend voller Bewunderung für Erdogan zum vermeintlichen Sieg beim Referendum. Trump reiht sich damit ein in die Schar der Gratulanten, die auch wie z. B. Mussolini und Atatürk Hitler viel Glück und Erfolg bei seinen weltpolitischen Vorhaben und Absichten wünschten.
Roland Klose, Bad Fredeburg</span></p>"
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