Erdogan, Verteidiger des demokratischen Rechtsstaats? (gedruckt)
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- von Roland Klose
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"Das Blutvergießen in der Türkei muss jetzt ein Ende haben", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel zum gescheiterten Militärputsch in der Türkei. "Deutschland stehe auf der Seite derjenigen in der Türkei, die die Demokratie und den Rechtsstaat verteidigten."
Richtig, Frau Dr. Merkel, aber ist die Türkei wirklich ein demokratischer Rechtsstaat, der mit allen Mitteln verteidigt werden muss? Mitnichten, denn die AKP-Diktatur bis in den kleinsten Winkel der türkischen Gesellschaft und das "System Erdogan" treten den demokratischen Rechtsstaat mit Füßen. Die Türkei ist eine Pseudo-Demokratie wie Russland. Erdogan strebt nach unbegrenzter Machtfülle wie ein Sultan im einstmals blühenden Osmanischen Reich, der im krassen Gegensatz zum laizistischen Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk die Türkei in einen islamischen Gottesstaat verwandeln will.
Presse- und Meinungsfreiheit gibt es nicht in der Türkei. Die Verfassung soll im Sinne Erdogans geändert werden. Andersdenkende Journalisten und Regimegegner füllen Erdogans Gefängnisse. Der demokratische Rechtsstaat lebt von der Gewaltenteilung nach dem demokratischen Staatstheoretiker der Aufklärung, Charles de Secondat, Baron de Montesquieu. Doch die richterliche Gewalt (Judikative) wie auch die gesetzgebende Gewalt (Legislative) und die ausführende Gewalt (Exekutive) befinden sich in der Türkei in einer Hand und sind dessen Willkür ausgesetzt - in der Hand vom türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyib Erdogan.
Ist es daher verwunderlich, wenn das türkische Militär einen Militärputsch versuchte, der von Anfang an zum Scheitern verurteilt war? Erdogan kann nämlich die Massen bewegen und für sich nutzen wie einst Adolf Hitler mit seiner NS-Diktatur und der Vision von einem "Tausendjährigen Reich". Die Militärputschisten der Türkei erinnern mich dabei stark an die Widerständler um Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Oberst im Generalstab, vom 20. Juli 1944, die Hitler ermorden und die Macht in Deutschland übernehmen wollten. Sie galten im NS-Staat ebenfalls als Hochverräter und wurden von großen Teilen des Volkes verachtet. Heute sind sie in der Bundesrepublik Deutschland die Helden, obwohl ihr Vorgehen ähnlich der türkischen Militärputschisten dilettantisch war.
Was können die Militärputschisten in der Türkei erwarten? Die Lynchjustiz hat es ja schon während des versuchten Putsches gegeben. Erdogan überlegt ernsthaft wegen des Putsches wieder die Todesstrafe in der Türkei einzuführen. Er betrachtet den Putsch sogar als "Segen Gottes oder Allahs". Warum? Jetzt kann er endlich in Form von sog. "stalinistischen Säuberungen" tausende Militärs, Regimekritiker, Verfassungsrichter, Richter, Staatsanwälte, Politiker etc. entmachten und in die Gefängnisse stecken. Erdogan wird den Putschversuch wie Hitler für sein ganz persönliches Ermächtigungsgesetz und zur Generalabrechnung mit seinen Gegnern zu nutzen wissen.
Und was machen viele führende Politiker der Welt und der EU? Sie loben Erdogan als Verteidiger des demokratischen Rechtsstaats wie einst Benito Mussolini Hitler nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944. Welch ein Hohn und Treppenwitz der Geschichte.
Roland Klose, Bad Fredeburg