Vorsprung durch Betrug? – ein Skandal und dessen Folgen.
Wie lautet doch der Werbeslogan der in Ingolstadt ansässigen VW-Tochter AUDI? „Vorsprung durch Technik!“ Das klingt nach überlegener Ingenieurleistung – und ein bisschen nach Überheblichkeit. Dass die automobilen und wirtschaftlichen Erfolge der Ingolstädter Autobauer wohl nicht allein dem fachlichen Können ihrer Techniker zuzuschreiben sind, wurde spätestens beim diesjährigen Rennen zu den Deutschen Tourenwagen Masters (DTM) im österreichischen Spielberg offenbar, als das AUDI-Team überführt wurde, per Funk einem ihrer Fahrer die Stallorder gegeben zu haben, einen Konkurrenten höchst unsportlich aus dem Feld zu kicken. Dumm gelaufen, kann man da bloß sagen! Der Deutsche Motorsportbund (DMSB) hat AUDI dafür mit der rekordverdächtigen Strafe in Höhe von 200.000 € belegt und die vom Team bis dato in Spielberg geholten 62 Punkte wieder aberkannt. Jetzt erschüttert ein neuer Skandal die Automobilwelt und diesmal hat es die Konzernmutter von AUDI, die VW-AG in Wolfsburg „erwischt“. Die US-Umweltbehörde EPA wirft den Wolfsburger Autobauern vor, mittels einer speziellen Software die Abgaswerte ihrer Dieselfahrzeuge manipuliert zu haben und natürlich ist auch die WV-Tochter AUDI mit von der Partie; die Zahl der von dieser Abgas-Affäre betroffenen AUDI-Fahrzeuge wird auf 2,1 Millionen geschätzt. Damit ist der Wolfsburger Abgas-Skandal auch in Ingolstadt angekommen, jener oberbayerischen Stadt, deren Wohl und Wehe dank der industriellen Monostruktur in hohem Maße von der Automarke mit den vier Ringen abhängt. Verständlich also, wenn jetzt bei den Kommunalpolitikern in Ingolstadt und Umgebung die Angst vor Gewinneinbußen der hiesigen Autoschmiede und damit vor sinkenden Steuereinnahmen umgeht. „Vorsprung durch Klassik“ überschrieb die regionale Tageszeitung noch vor wenigen Wochen einen Bericht über die, seit nunmehr 25 Jahren stattfindenden, AUDI-Sommerkonzerte und feierte enthusiastisch das Engagement des Autobauers im kulturellen Bereich. Und tatsächlich können sich diese Konzerte hinsichtlich ihrer künstlerischen Qualität sehen, respektive hören lassen. Allein bei den beiden Klassik Open Air-Konzerten, deren musikalische Bandbreite diesmal vom „Dschungelbuch“ bis zu Richard Wagners „Lohengrin“ reichte, machten 27.000 Besucher deutlich, dass Klassik so wenig Frack und Abendkleid bedeuten, wie Seppl-Hose oder Jodler-Kostüm Bayern. Die alljährlichen AUDI-Sommerkonzerte stellen jedenfalls ein musikalisches Highlight ersten Ranges in der gesamten Region dar, die Frage ist nur: Wie lange noch? Auch wenn es in der Bibel heißt: „ Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“(5.Mose 8,3), wird der Rotstift doch zuallererst bei Kunst und Kultur angesetzt, wenn gespart werden muss. Die Balltreter vom Ingolstädter „FC Schanzer 04“, die ebenfalls von AUDI gesponsert werden, brauchen sich diesbezüglich vermutlich keine Sorgen zu machen. Der Kunst-und Kulturbetrieb jedoch war schon immer und überall ein Verlustgeschäft, abhängig von öffentlichen Zuschüssen oder privaten Zuwendungen. (Gaius Maecenas lässt grüßen!). Deshalb ist es durchaus möglich, dass AUDI sein Mäzenatentum in nächster Zeit zumindest einschränken wird. Das wäre zwar bedauerlich, aber vielleicht – und das wäre zu wünschen – führt das bei einigen Leuten in Ingolstadt zum Nachdenken darüber, dass das „goldene (Blech-)Kalb“ AUDI auch einmal rosten kann und dass man gut daran täte, für diesen Fall gewappnet zu sein (Entsprechendes gilt für die Verantwortlichen der Stadt Wolfsburg). Die finanziellen Folgen des Abgas-Skandals für VW und AUDI sind momentan noch nicht absehbar, der Schaden dürfte in die Milliarden gehen. Der Schaden für das Image der (gesamten)deutschen Industrie, für die Marke „made in Germany“ im Ausland ist in Geld nicht zu beziffern. Der Vorstandsvorsitzende der Volkswagen-AG ist bereits zurückgetreten und sicher werden in der Konzernspitze noch mehr Köpfe rollen; das war‘s dann aber auch schon, mehr wird diesen Herrschaften nicht passieren – und das ist der eigentliche Skandal!
Dr. Werner J. Leitmeier
Ingolstadt